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Blaze: Eine Verbindung zwischen Forschung und Patientenversorgung | 5 Fragen an… Alexander Kiel zum FHIR Blaze Server

Mit den in der Medizininformatik-Initiative (MII) deutschlandweit etablierten Datenintegrationszentren (DIZ) ergeben sich neue Möglichkeiten, Daten aus der medizinischen Routineversorgung für die Forschung zu nutzen. So können beispielsweise standortübergreifende Forschungsprojekte mit großen Stichproben sowie Kohortenstudien durchgeführt werden. Dahinter liegt ein System, das sowohl mit den medizinischen Routinedaten aus den Krankenhäusern als auch mit Forschenden kommunizieren kann: Der Blaze Server. Dieser basiert auf FHIR*, einem weit verbreiteten Standard für den elektronischen Austausch von Gesundheitsinformationen. Blaze wurde 2019 für die German Biobank Alliance zur Nutzung von Bioproben entwickelt und 2023 mit dem FDPG-Plus-Projekt auf die MII ausgeweitet. Alexander Kiel, leitender Entwickler von Blaze, verrät im Interview was den Server auszeichnet und besonders wichtig für die Arbeiten der MII macht.

Bitte erklären Sie in einfachen Worten, wie der Blaze Server funktioniert.

Der Blaze-Server ist ein spezieller Datenbankserver, der für die Verwaltung und Analyse von medizinischen Daten entwickelt wurde. Dabei implementiert der Blaze Server die HL7 FHIR Spezifikation. Diese FHIR Spezifikation ist ein international anerkannter, weit verbreiteter Standard, um medizinische Daten auszutauschen und zu speichern. Blaze „spricht“ die HL7 FHIR-Sprache und kann die entsprechenden nach dem Standard strukturierten Daten speichern und Abfragen darauf erlauben. Dabei unterstützt Blaze neben FHIR Search auch Abfragen per Clinical Quality Language (CQL). Die Clinical Quality Language ist eine ebenfalls von HL7 standardisierte, domänenspezifische Sprache, die entwickelt wurde, um klinische Entscheidungslogik und Qualitätsmessungen auf eine für Menschen lesbare, computergestützte Weise auszudrücken.
Ein Alleinstellungsmerkmal vom Blaze-Server ist, dass er speziell für medizinische Anwendungsfälle entwickelt wurde. Wichtig zu wissen: Blaze hat keine Nutzeroberfläche, sondern ist ein Programm, das im Hintergrund läuft. Der Server ist auf GitHub verfügbar und kann somit von Gesundheitsorganisationen, Forschenden sowie Entwicklerinnen und Entwicklern frei genutzt werden.

Was ist die Hauptmotivation für die Entwicklung von Blaze?

Der ursprüngliche Anwendungsfall stammt aus der German Biobank Alliance. Ziel dieses 2018 gestarteten Projektes war es, die Biobanken in Deutschland zu vernetzen. Ähnlich wie in der Medizininformatik-Initiative sollten über Biobanken standortübergreifend verteilte Anfragen nach Daten und Bioproben realisiert werden. Dabei hat sich unser Team ab 2019 auf den FHIR-Standard geeinigt. Allerdings wurde uns schnell klar, dass die einfache FHIR Search-Abfragemöglichkeit dafür nicht ausreicht. Mit FHIR Search kann auf FHIR-Servern zwar nach Daten gesucht werden, die Möglichkeiten sind dabei jedoch sehr beschränkt, da die Abfragen sehr patientenorientiert sind. Mit FHIR Search können Forschende in einer einzelnen Patientenakte nach Daten suchen, aber ganze Kohortenanfragen sind nicht realisierbar. Dabei geht es in der Medizininformatik-Initiative und den Biobanken gerade darum, für Forschungsfragen möglichst viele Patientinnen und Patienten zu finden, die bestimmte Kriterien erfüllen. Blaze ist einer der wenigen FHIR-Server, die das ermöglichen. In der Medizininformatik-Initiative wird Blaze für Machbarkeitsanfragen mit dem Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG) sowie für Datenselektion und -extraktion genutzt.

Was sind die Herausforderungen bei der Entwicklung und Implementierung eines solchen Systems?

Die Herausforderungen können in vier Problemfelder unterteilt werden: Die korrekte Implementierung des FHIR-Standards, regulatorische Vorgaben wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die möglichst schnelle Ausführung von Anfragen und der reibungslose Betrieb an den unterschiedlichen Standorten der Datenintegrationszentren (DIZ) in der MII.
Zunächst zum FHIR-Standard: Auf der einen Seite hilft dieser natürlich bei der Implementierung, weil er beschreibt, was ein Server können muss und sich die Standorte daran orientieren können. Auf der anderen Seite können diese Vorgaben allerdings unterschiedlich interpretiert werden. Dadurch ist die Kommunikation mit Standardisierungsgremien unerlässlich. Hinsichtlich der regulatorischen Vorgaben wie der DSGVO besteht eine Herausforderung darin, die an den Standorten gespeicherten personenbezogenen Daten wieder sauber zu löschen. Dies wäre der Fall, wenn beispielsweise eine Patientin oder ein Patient die Einwilligung zurückzieht.
Die Datenmengen und komplexen Anfragen erfordern zudem schnelle Bearbeitung, möglichst unter einer Minute. Dafür sind neben Funktionstests auch Performance-Tests notwendig. Ein von uns entwickelter Tuning-Guide hilft dabei, Blaze für die beste Leistung optimal an die vorhandene Hardware anzupassen.

Wie soll sich Blaze in Zukunft im Kontext der Medizininformatik-Initiative und darüber hinaus weiterentwickeln?

Der Blaze Server wird derzeit von fast allen Datenintegrationszentren der MII genutzt. Daraus ergeben sich spezielle Wünsche und Anforderungen von den einzelnen DIZ, die wir versuchen umzusetzen. Blaze ist ein allgemeiner Server, der den HL7 Standard erfüllt, und wird deshalb teilweise auch in anderen Use Cases eingesetzt. Zukünftig soll Blaze auch im DISTANCE-Projekt für Datenintegrationszentren außerhalb der Universitätsmedizin verwendet werden, wo es neue Anforderungen geben wird. Anforderungen in dem Sinne, dass neue Bestandteile des FHIR Standards umgesetzt werden.
Je bekannter der Blaze Server wird, desto mehr neue Anforderungen wird es von unterschiedlichen Seiten geben. Langsam setzt sich der FHIR-Standard in Deutschland durch. Mit der MII sind wir die ersten, die FHIR in die Krankenhäuser bringen. Es ist denkbar, dass FHIR-Server künftig noch viel näher an der Versorgung eingesetzt werden. Derzeit befinden wir uns mit Blaze eher in der Forschungs-Domäne. Doch gerade passiert durch den Wegfall von SAP ein großer Umschwung in Deutschland, was Krankenhausinformationssysteme (KIS) anbetrifft. Ein FHIR-Server ist kein KIS, kann jedoch als Datenbank für ein KIS genutzt werden. Zusammengefasst: FHIR wird in den nächsten Jahren immer wichtiger.

Bitte beenden Sie folgenden Satz: Unsere Arbeiten im SMITH-Konsortium sind für eine verbesserte Forschung zentral, weil…

…wir den Forschenden Zugang zu standortübergreifenden, medizinischen Daten ermöglichen.

*Über HL7 FHIR:
HL7 FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources) ist ein internationaler Standard für den Austausch von Gesundheitsdaten, der von der Organisation HL7 (Health Level Seven) entwickelt wurde. Dieser Standard ermöglicht es, medizinische Informationen wie Laborergebnisse, Diagnosen, Medikationen leichter zwischen unterschiedlichen IT-Systemen von Gesundheitseinrichtungen auszutauschen. Bei FHIR ist jede Art von Gesundheitsinformation in kleinen, wiederverwendbaren Datenbausteinen, den sogenannten „Ressourcen“, organisiert. Diese können flexibel kombiniert und ausgetauscht werden, ohne dass dafür aufwändige Anpassungen nötig sind. So wird der Datenaustausch schneller und leichter, was der Patientenversorgung zugutekommt.