Nachwuchsforschungsgruppen

Etablierung von Nachwuchsforschungsgruppen

Neue Fachkräfte für die Medizininformatik

Eines der wichtigsten Ziele der Medizininformatik- Initiative ist die Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Für die Zukunft der Digitalisierung in der Medizin spielen gut ausgebildete Fachkräfte eine zentrale Rolle. Spezialisierte „Data Scientists“ sollen sowohl die modernsten Werkzeuge der Informatik beherrschen als auch mit medizinischen Fachbegriffen vertraut sein, damit sie die wachsenden Datenmengen sinnvoll auswerten können. Um die Medizininformatik als progressives Feld in der Forschung und Lehre zu etablieren, unterstützen Nachwuchsgruppen Professuren an unterschiedlichen SMITH-Standorten. Die Nachwuchsgruppen des SMITH-Konsortiums erarbeiten zukunftsweisende Perspektiven zu medizininformatischen Fragestellungen und aktivieren zukünftige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Nachwuchsgruppe „Analyse mobiler Daten zur Verlaufsüberwachung neurodegenerativer Erkrankungen (NDEMobil)“

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Leitung: Dr. Lara Marie Reimer
Förderzeitraum: 2022 – 2027

Standort:
Universitätsklinikum Bonn
Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn
Institut für digitale Medizin

Neurodegenerative Erkrankungen (NDE) stellen eine zunehmende Belastung für die Gesellschaft dar. Weltweit leiden viele Millionen Menschen an NDE, wobei Alzheimer-Demenz und Morbus Parkinson die häufigsten Erkrankungen sind. Die Betroffenen leiden unter einer Vielzahl von Einschränkungen, insbesondere in der Kognition und Motorik. Eine möglichst frühzeitige Therapie ist entscheidend, da der Verlust neuronaler Funktionen trotz medikamentöser Behandlung oft nicht mehr aufzuhalten ist. Allerdings sind NDE im Frühstadium meist schwer zu erkennen und die Diagnostik ist aufwändig und teuer. Verschiedene Forschungsarbeiten konnten bereits zeigen, dass kostengünstigere, technologische Methoden wie die Ganganalyse NDE frühzeitig erkennen können.

Die Nachwuchsgruppe NDEMobil erforscht daher technologische Lösungen, die für eine frühe Diagnostik sowie Verlaufsbeobachtung von NDE eingesetzt werden können. Der Fokus liegt dabei auf dem Einsatz mobiler Geräte wie Smartphones und Wearables, die aufgrund ihrer hohen Verfügbarkeit vielfältige Einsatzmöglichkeiten bieten. Während der alltäglichen Nutzung dieser Geräte sollen verschiedene Parameter erhoben werden, die Rückschlüsse auf Motorik, Kognition und soziales Verhalten zulassen. Die Erfassung soll dabei möglichst sicher und datensparsam erfolgen. Das Ziel ist, Veränderungen im Nutzungsverhalten zu erkennen, die auf eine NDE oder die Verschlechterung einer NDE hinweisen können.

Die Nachwuchsforschungsgruppe identifiziert hierfür mögliche Parameter und implementiert verschiedene Testmethoden zur Erfassung dieser Parameter in einer mobilen App. Die App soll anschließend in einer Beobachtungsstudie eingesetzt werden, um Daten von Patientinnen und Patienten mit NDE in verschiedenen Stadien zu erheben. Basierend auf den Ergebnissen sollen geeignete digitale Biomarker ausgewählt und im Rahmen einer Interventionsstudie getestet werden.

Nachwuchsgruppe „Nutzenoptimierung und Verfügbarkeitserhöhung von Gesundheitsdaten (BENEFIT)“

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Leitung: Dr. Philipp Breitfeld
Förderzeitraum: 2021 – 2026

Standort:
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Institut für angewandte Medizininformatik (IAM)

In der Nachwuchsgruppe „Nutzenoptimierung und Verfügbarkeitserhöhung von Gesundheitsdaten (BENEFIT)“ befassen sich Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Philipp Breitfeld mit der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten.

Durch die Medizininformatik-Initiative (MII) werden Daten aus Universitätskliniken in Datenintegrationszentren standortübergreifend für die Forschung und Versorgung zur Verfügung gestellt. Die Nachwuchsgruppe BENEFIT entwickelt neue Konzepte und Methoden, um die Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung mit Hilfe der Daten zu verbessern. Hierfür wird untersucht, welche künftigen Nutzerinnen und Nutzer welche Aufgaben mit den Daten durchführen möchten. Daraus erschließt und identifiziert die Gruppe entlang geltender ethischer, rechtlicher und datenschutztechnischer Richtlinien die relevantesten Datensätze.

Besonderes im Bereich der künstlichen Intelligenz und deren Anwendung bei Medizinprodukten eröffnet sich ein spannendes Themenfeld. Die neue EU-Verordnung für künstliche Intelligenz soll sich unter anderem mit geistigem Eigentum und KI befassen, wo der patentrechtliche Grundsatz der schöpfenden oder erfindenden Person nicht trägt. Auch die Medizinprodukteverordnung stellt große Herausforderungen an eine praktische Umsetzung von Medizindaten aus der Patientenversorgung.

Aus den Arbeiten der Nachwuchsgruppe lassen sich prinzipielle Businessmodelle ableiten, die Datenbesitzerinnen und -besitzer auf der universitären Seite verstärkt von den Vorteilen einer Datenbereitstellung überzeugen können.

Nachwuchsgruppe „Prädiktive Analyse und datengetriebene künstliche Intelligenz zur logistischen Unterstützung von Versorgungsprozessen (KI-LoV)“

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Leitung: Dr.-Ing. Sasanka Potluri
Förderzeitraum: 2020 – 2025

Standort:
Universitätsklinikum Jena
Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften (IMSID)

Die Etablierung der Nachwuchsgruppe zielt darauf ab, die Patientenversorgung durch Anwendungen künstlicher Intelligenz zu verbessern. Dies geschieht, indem die Bedarfsplanung und die Strukturierung von Prozessen durch genauere Bedarfsvorhersage und Simulationen klinischer Abläufe unterstützt wird. Dazu werden Verfahren maschinellen Lernens aus Versorgungsdaten mit Methoden der mathematischen Optimierung und Simulation kombiniert. Die Entwicklung, Nutzung und vergleichende Bewertung von Deep Learning zur Analyse und Fortschreibung unvollständiger multivariater Zeitreihen aus klinischen Versorgungsprozessen stehen dabei im Fokus.

Eine unverzichtbare Voraussetzung des Vorhabens ist es, dass Daten aus der Patientenversorgung in die genannten Verfahren einfließen können. Dazu entwickelt die Nachwuchsgruppe in enger Zusammenarbeit mit dem lokalen Datenintegrationszentrum Ansätze zur Gewinnung, Zusammenführung und Qualitätssicherung anonymer Trainings- und Testdaten. Die Nachwuchsgruppe wird für ausgewählte Aufgaben einsatzfähige Prototypen entwickeln und bewerten, bei denen eine nachgelagerte Produktentwicklung ansetzen kann. Die Ergebnisse werden eine Einschätzung möglicher Effizienzgewinne erlauben, die Routinefähigkeit und Stabilität der Verfahren bewerten und gegebenenfalls mögliche Seiteneffekte ihres Einsatzes berücksichtigen. Hierbei ist es ein besonderes Anliegen, Fehlentwicklungen vorzubeugen, die durch undurchschaubare, nicht hinterfragbare und nur einen Realitätsausschnitt bewertende Algorithmen entstehen können. Stattdessen zielt das Vorhaben auf Nachvollziehbarkeit und Kritikfähigkeit der verwendeten Ansätze ab. Besonderes Augenmerk liegt auf einer Unterstützung der Kalibrierung datengetriebener Anwendungen. Durch Kalibrierung müssen datengetriebene Verfahren der Tatsache Rechnung tragen, dass die Trainingsdaten herkunftsspezifische Besonderheiten haben, beispielsweise durch die Population, aus der die Daten stammen.

Nachwuchsgruppe „Vorhersage von Sepsis auf Basis von Mikrobiomsequenzdaten (MicrobiomSepsisPred)“

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Leitung: Dr. Ivana Kraiselburd
Förderzeitraum: 2022 – 2026

Standort:
Universitätsklinikum Essen
Institut für künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM)
Lehrstuhl für Data Science

Die Nachwuchsgruppe „MicrobiomSepsisPred“ wird von Dr. Ivana Kraiselburd geleitet und gehört zum Institut für künstliche Intelligenz der Universitätsmedizin Essen. Angesiedelt ist die Gruppe dort am Lehrstuhl für Data Science.

„MicrobiomSepsisPred“ erforscht Methoden, mit denen Mikrobiomdaten von Patientinnen und Patienten mit Sepsis aufbereitet, ausgewertet und integriert werden können. Dabei handelt es sich primär um DNA-Sequenzdaten, die durch Sequenzierung von Darm- und Hautflora gewonnen werden. Mit diesen Daten können der Beginn der Sepsis sowie mögliche Antibiotikaresistenzen, die zu Problemen bei der Behandlung der Sepsis führen können, vorhergesagt werden.

Für einzelne Patientinnen und Patienten wird auf Basis der Sequenzdaten ein personalisiertes Mikrobiom-Profil erstellt und dieses für ein Modell zur frühzeitigen Vorhersage von Sepsis genutzt. Ein solches Modell kann die bestehenden, auf klinischen Daten basierenden Sepsis-Vorhersagemodelle ergänzen und bietet die Möglichkeit, die Prognose von Sepsis zu beschleunigen.

Die Gruppe widmet sich spezifisch der Erforschung der Sepsis bei Patientinnen und Patienten in der Intensivversorgung. Mittels Sequenzierung und Analyse von Mikrobiomdaten wird nach molekularen Signaturen gesucht, die sich für die Früherkennung von Sepsis bzw. die Charakterisierung des Sepsisrisikos eignen. Darüber hinaus strebt die Nachwuchsgruppe an, Werkzeuge zur Erkennung von Antibiotikaresistenzprofilen im Darm- und Hautmikrobiom bei Patientinnen und Patienten zu etablieren. Auf diese Weise wird dieses Projekt bestehende Methoden zur Vorhersage der Entwicklung von Krankheiten verursachenden Erregern sowie ihrer potenziellen Antibiotikaresistenz ergänzen und den Vorhersagehorizont erweitern können.

Nachwuchsgruppe „Terminologie- und Ontologie-basierte Phänotypisierung (TOP)“

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Leitung: Dr. Alexandr Uciteli
Förderzeitraum: 2021 – 2026

Standort:
Universität Leipzig
Medizinische Fakultät
Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE)

Das Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung und Anwendung einer Ontologie-basierten Softwareplattform für komplexe Phänotypen (TOP Framework). Das Framework soll auf den im Rahmen der Medizininformatik-Initiative an den Datenintegrationszentren verfügbaren medizinischen Daten aufbauen. Das Konzept wird entlang der Use Cases entwickelt, die im SMITH-Konsortium im Fokus stehen, bleibt aber nicht auf diese beschränkt und soll später für viele Use Cases vergleichbarer Projekte im medizinischen Bereich anwendbar sein. Dazu wird das Konzept in einer modularen Webanwendung implementiert, die verschiedene Software-Tools und Services zur algorithmischen Phänotypisierung vereint. Die entwickelten Phänotyp-Algorithmen einschließlich weiterer Metadaten werden in standardisierten (und wenn möglich öffentlichen) digitalen Archiven (Repositorien) bereitgestellt.

Das TOP Framework wird aus drei Hauptkomponenten bestehen. Das Structured Data Module unterstützt die Modellierung und Ausführung von Phänotyp-Algorithmen und phänotypischen Anfragen (Ein-/Ausschlusskriterien, Machbarkeitsabfragen, Kohorten-Bildung, Datenherausgaben) sowie weiterführende Analysen auf strukturierten Daten. Das Text Data Modul wird an eine existierende Suchmaschine gekoppelt, in der die relevanten Dokumente (z.B. Arztbriefe) indexiert werden, um die Suche und Strukturierung relevanter klinischer Informationen in Texten zu ermöglichen. Die Phänotyp-Algorithmen sowie weitere Metadaten werden in zu entwickelnden digitalen Archiven verwaltet und über ein Webportal sowie standardisierte Schnittstellen zur Verfügung gestellt.

Klinische Expertinnen und Experten sollen durch das Framework dabei unterstützt werden, Phänotypen zu modellieren, für weiterführende Analysen oder Studien relevante Personen zu identifizieren sowie relevante Daten zu selektieren und zu analysieren.