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Patientenpartizipation in DISTANCE: Wie die Deutsche Sepsis-Hilfe e. V. die digitale Intensivnachsorge unterstützt

Damit die in der Medizininformatik-Initiative (MII) entwickelten technischen Lösungen und Infrastrukturen den Patientinnen und Patienten bestmöglich zugutekommen, ist ihre aktive Einbindung in die Vorhaben der MII unerlässlich. Der Digitale FortschrittsHub DISTANCE geht hier mit gutem Beispiel voran und hat die Deutsche Sepsis-Hilfe e. V. (DSH) als Patientenorganisation in das Projekt einbezogen. Mitglieder der DSH haben die im Rahmen von DISTANCE entwickelte PICOS-App getestet. Die PICOS-App begleitet Patientinnen und Patienten nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation in ihrer Nachsorge. Da eine Sepsis, eine fehlgeleitete Immunreaktion des Körpers, häufig zu Organversagen und damit zu einer intensivmedizinischen Behandlung führt, verfügt die DSH über die notwendige Expertise, um DISTANCE in der Nutzerfreundlichkeit der PICOS-App zu beraten. Im Interview spricht Astrid Wendlik, Vorstandsmitglied der DSH und Angehörige eines Sepsis-Betroffenen, über ihre Erfahrungen mit DISTANCE und ihre Wünsche für eine stärkere Einbindung von Patientinnen und Patienten in die MII.

Frau Wendlik, was hat Sie dazu motiviert, sich an DISTANCE zu beteiligen?

Ich sehe in DISTANCE eine große Chance: Die App ermöglicht es, Daten für die Forschung zu sammeln und gleichzeitig den Patientinnen und Patienten, ihre Fortschritte nachzuvollziehen. Es ist ein Gewinn für beide Seiten – Wissenschaft und Betroffene. Zudem schafft die App Wissen und Akzeptanz für die freiwillige Bereitstellung von Versorgungsdaten für die Forschung.

Wie bringen Sie bzw. die Deutsche Sepsis-Hilfe sich in die Arbeit von DISTANCE ein?

Wir haben über mehrere Monate hinweg die PICOS-App genutzt, sie auf ihre Praxistauglichkeit geprüft und unser Feedback dazu abgegeben. Außerdem haben wir langjährige und oft sehr persönliche Kontakte zu Patientinnen und Patienten, die an Nachwirkungen im Anschluss an ihren Aufenthalt auf der Intensivstation leiden. Der persönliche Kontakt zu ihnen erleichtert es, sie für eine langfristige Teilnahme an DISTANCE zu gewinnen. Darüber hinaus bauen wir derzeit Kontakte zu Sozialdiensten in Krankenhäusern auf – auch hier könnte das Projekt sinnvoll eingebunden werden.

Warum ist die Digitalisierung für Diagnose und Therapie der Sepsis so wichtig?

Durch digitale Lösungen wie die elektronische Patientenakte oder die PICOS-App können behandelnde Ärztinnen und Ärzte die bisherigen Maßnahmen, Fortschritte und den aktuellen Gesundheitszustand auf einen Blick einsehen. Das erleichtert die Abstimmung und kann die Therapie beschleunigen. Zudem hilft es, erfolgreiche Behandlungen sichtbar zu machen und als Maßstab für andere Patientinnen und Patienten zu nutzen. Wenn alle Daten zentral verfügbar sind, können durch bessere Diagnosen Therapien beschleunigt werden.

Wo sind die Herausforderungen in der Digitalisierung?

Eine große Herausforderung auf Patientenseite ist die dauerhafte Pflege der Daten in den Gesundheitsanwendungen. Deshalb ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte regelmäßig daran erinnern und den Mehrwert dieser Anwendungen für die Patientinnen und Patienten betonen. Auch die Aufklärung darüber, welche Daten wirklich relevant z. B. für den Verlauf von Sepsis sind, spielt eine große Rolle.

Welche Vorteile sehen Sie durch die PICOS-App?

Die PICOS-App liefert eine gute Zusammenfassung über den aktuellen Gesundheitszustand. Alle wichtigen Informationen sind an einem Ort verfügbar. Auch der Hausarzt oder die Hausärztin haben die Entwicklung der Werte über einen längeren Zeitraum im Blick. Darüber hinaus können Patientinnen und Patienten sich mit Hilfe der App aktiv und ohne Mehraufwand an der Gesundheitsforschung beteiligen.

Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie noch?

Einige Fragen müssten in leichterer Sprache gestellt werden. Auch bei der Barrierefreiheit gibt es Verbesserungspotenzial. Zudem laufen Apps nicht auf Seniorenhandys, was ältere Menschen aus der Studie leider ausschließt. Eine transparentere Aufklärung zum Mehrwert der App und der Nutzung der Daten für die Forschung würde die Toleranz der PICOS-App bei Patientinnen und Patienten steigern.

Was wünschen Sie sich für die Patientenpartizipation an der MII in Zukunft?

Ich wünsche mir eine einfachere Sprache, mehr Transparenz über die Hintergründe der Datennutzung für die Forschung und eine stärkere Interaktion mit den Betroffenen. Digitale Checklisten auf dem Handy könnten die Nachsorge für ältere Menschen erleichtern.
Insgesamt wünsche ich mir von allen Seiten mehr Aufklärung über die Erhebung von Patientendaten für Forschungszwecke, z. B. über Flyer, Websites aber auch von Mitarbeitenden der Kliniken. Jeder will Forschung, aber dass man dafür Daten braucht, erschließt sich vielen Patientinnen und Patienten nicht.