Warum Datenintegrationszentren mehr als nur Technik sind | 5 Fragen an… DIZ-Leiterin Dr. Irina Lutz

Die Medizininformatik ist die Schnittstelle zwischen Medizin und IT. Unterschiedliche Berufsfelder greifen ineinander über und ergänzen sich. Auch weniger offensichtliche Fachgebiete sind hier vertreten und relevant. Die Datenintegrationszentren (DIZ) der Medizininformatik-Initiative verkörpern diese Schnittstelle. Die DIZ führen Routinedaten aus der Krankenversorgung zentral zusammen, anonymisieren und harmonisieren diese, um sie für die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen. Hinter den Zentren steckt eine komplexe Infrastruktur, die wohl durchdacht sein will. Mitarbeitende sollten über interdisziplinäre Kenntnisse verfügen. Dr. Irina Lutz leitet eines der bisher sieben in SMITH aufgebauten DIZ. Die promovierte Ingenieurin verbindet technisches Fachwissen mit Informatik und klinischem Grundwissen. In ihrer jetzigen Position an der Uniklinik RWTH Aachen verantwortet Dr. Lutz die strategische Planung der Aufgaben und Prozesse im DIZ.

Welche Herausforderungen damit verbunden sind und wo sie die Zukunft der DIZ sieht, verrät sie uns im Interview.

Sie kommen aus der Ingenieurswissenschaft. Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Tätigkeit gekommen und wie können Sie Ihre Fähigkeiten als Ingenieurin in das DIZ einbringen?

Ich hatte mich mit einem Mitarbeiter der Uniklinik Aachen über Xing verbunden. So habe ich mitbekommen, dass ein großes Projekt im Rahmen der Medizininformatik-Initiative ausgeschrieben wurde und mich dann initiativ als Projektmanagerin beworben. Die Abläufe im wissenschaftlichen Arbeiten, in Projekten und auch in der Drittmittelakquise waren mir durch meine Tätigkeit als Projektleiterin an der Technischen Universität Ilmenau bereits bekannt. Danach habe ich als Ingenieurin in der Industrie gearbeitet, damals als Produktmanagerin. Deshalb kannte ich sowohl die Seite der Industrie als auch die der Wissenschaft. So habe ich sehr gut auf die Stelle als Projektmanagerin und später als DIZ-Leiterin gepasst.

Zudem bringe ich als Ingenieurin jede Menge Erfahrung in Organisation, Planung, Infrastrukturaufbau, Sammlung von Anforderungen, Prozessetablierung und eine strukturierte Arbeitsweise für administrativ-organisatorische Arbeiten und die Einführung neuer Ideen mit. All diese Prozesse sind in der IT und im Ingenieurswesen sehr ähnlich. Produktmanager machen auch nichts anderes als die ganzen Abläufe bei der Etablierung von Produkten zu organisieren und zu evaluieren. Man nimmt außerdem Kontakt zu Herstellerfirmen und Kunden auf, die bei meinem vorherigen Arbeitgeber auch Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen waren. Diese Erfahrungen habe ich in meinen aktuellen Beruf mitgenommen.

Sie entwerfen und planen also als Ingenieurin in der MII keine technischen Komponenten, sondern ein ganzes Projekt.

Genau, die Prozesse sind ähnlich, nur zuvor war es der Aufbau einer Hardware in Kooperation mit Firmen, hier ist es der Aufbau einer Infrastruktur. Diese muss man auch vorausdenken: Was genau will man aufbauen, was wird dabei benötigt, welche Schritte müssen eingeleitet werden? Reichen unsere Ressourcen? Wie kann ich Mitarbeitende ihrer Fähigkeiten gemäß strategisch einsetzen?

Welche Herausforderungen haben Sie bei der Inbetriebnahme des Datenintegrationszentrums in Aachen gemeistert?

Ich würde sagen, die größte Herausforderung war, DIZ-Prozesse in jahrelang etablierte Prozesse des Uniklinikums Aachen zu integrieren. Auf einmal müssen die Klinik-Mitarbeitenden zusätzlich den Broad Consent erfassen, der Vorstand und weitere Personen, die ohnehin schon gut beschäftigt sind, müssen sich zusammensetzen und Anträge bewilligen. Auch der Datenschutzbeauftragte des Klinikums muss Zeit für uns finden. Das DIZ stellt das UKA vor zusätzliche Aufgaben und wir als DIZ-Team müssen uns irgendwie an bestehende Prozesse anpassen. Hinzu kommt, dass die Prozesse im Krankenhaus ohnehin schon eng getaktet sind.

Inwiefern unterscheiden sich die DIZ der Konsortien untereinander?

Im Laufe des Projekts stellte sich heraus, dass sich die verwendeten Primärsysteme zwischen den Unikliniken unterscheiden. Das bedeutet, die Daten werden unterschiedlich strukturiert abgelegt und stehen in verschiedenen Formaten zur Verfügung. In einem Klinikum wird beispielsweise nur das HL7-Format verwendet, in dem anderen können die Primärsysteme bereits FHIR herausgeben. Dabei wurde ersichtlich, dass man bei der Infrastrukturumsetzung nicht immer den gleichen Weg gehen kann. Das ist auch der Unterschied, der sich am Ende in der Infrastruktur zeigt. Durch diese Unterschiede können die Kliniken jedoch voneinander lernen und einander unterstützen.

Der letzte Projectathon zum Ende der aktuellen Förderphase ergab, dass alle SMITH-DIZ in der Lage sind, Daten zu liefern. Wie wird sich die Arbeit in den Datenintegrationszentren zukünftig weiterentwickeln?

Die Infrastruktur steht im Großen und Ganzen. Wir müssen uns in nächster Zeit darauf konzentrieren, dass die Datenqualität entsprechend vorhanden ist. Dann müssen wir verstärkt an Data Use Projects teilnehmen sowie klinikinterne Unterstützung anbieten. Jedes DIZ sollte sich innerhalb des eigenen Uniklinikums etablieren und das medizinische Personal verstärkt unterstützen. Eine intensivere Zusammenarbeit in Projekten mit forschenden Ärzten aus dem eigenen oder anderen Krankenhäusern wäre denkbar. Die klinikübergreifenden Projekte sind für die DIZ auch sehr spannend und für die weitere Entwicklung wichtig.

Natürlich müssen auch weiter Daten eingereicht werden. Wir haben uns bisher lediglich auf Daten aus den Use Cases im Rahmen des SMITH-Projekts konzentriert und erst einmal nur diese aus den Primärsystemen in die DIZ integriert. Es gibt jedoch viel mehr Daten in den Primärsystemen, die wir in die DIZ holen können. Das Ziel ist, so viele Daten zur Verfügung zu haben wie es nur geht, sodass, wenn Forschende Daten abfragen wollen, alle notwendigen Daten vorhanden sind und direkt zur Verfügung gestellt werden können.

Beenden Sie folgenden Satz: Mich begeistert am Feld der Medizininformatik am meisten…

… die Idee, interoperable Datenbanken in den Unikliniken aufzubauen, auf die medizinisch Forschende zugreifen können. Am Ende soll die Infrastruktur vor allem den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen, indem medizinische Behandlungen verbessert und Krankheiten möglicherweise sogar vollständig geheilt werden können. Ich bin mit der Motivation in das DIZ und in das Projekt gekommen, an der Entwicklung von Methoden zur Heilung von Krankheiten mitzuwirken.