New Solutions in Digital Health | 5 Fragen an Prof. Dr. André Scherag

Prof. Dr. André Scherag ist seit 2017 Direktor des Instituts für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften am Universitätsklinikum Jena und damit auch einer der zentralen Mitwirkenden im SMITH-Konsortium der Medizininformatik-Initiatve. Als erster Sprecher im Konsortium engagiert er sich seit Projektbeginn für die nachhaltige Nutzung von Versorgungsdaten in der biomedizinschen Forschung und somit langfristig für eine verbesserte Patientenversorgung. Für den SMITH-Kongress 2022 übernimmt er in diesem Jahr die Aufgabe des Kongresspräsidenten. Der zweite Kongress des SMITH-Konsortiums wird vom 28. – 29.06.2022 im dbb forum in Berlin stattfinden. Unter dem Motto „New Solutions in Digital Health“ sind Expertinnen und Experten aus Forschung, Versorgung, Medizininformatik und Wissenschaftspolitik eingeladen, um über die nachhaltige Vernetzung zwischen Forschung und Versorgung zu diskutieren.

Wir haben mit Professor Scherag über die Bedarfe digitaler Medizin gesprochen und warum Sie den SMITH-Kongress 2022 in Ihrem Kalender vormerken sollten.

Das Motto des diesjährigen SMITH-Kongresses ist „New Solutions in Digital Health“: Welche „neuen Lösungen“ werden auf dem Kongress präsentiert?

Das Motto greift das des SMITH-Kongresses „New Horizons in Digital Health“ in 2019 auf. Wir wollen mit „New Solutions“ zeigen, was wir bereits erreichen konnten und welche Ziele das SMITH-Konsortium und mehr noch die Medizininformatik-Initiative in der kommenden Förderperiode verfolgen. Wir stellen zum Beispiel vor, was die neu entstandenen Datenintegrationszentren gerade auch während der Pandemie geleistet haben und welchen Schub wir durch neue Professuren und Nachwuchsgruppen für die digitale Medizin bekommen haben. Außerdem werden wir erste Pilotprojekte aufzeigen, die die bisherigen Arbeiten von SMITH und der Medizininformatik-Initiative auch für die regionale Gesundheitsversorgung zugänglich machen und einen Ausblick auf die europäischen Entwicklungen geben.

Es wird auf dem Kongress auch um die Ergebnisse der SMITH-Use Cases gehen. Sie selbst leiten den Use Case HELP, der sich dem zielgerichteten Einsatz von Antibiotika bei Staphylokokken-Blutstrominfektionen widmet. Was sind die zentralen Erkenntnisse aus HELP?

HELP evaluiert unter anderem in einer Studie den Einsatz einer App, die den Stationsärztinnen und -ärzten bei diesen schwer zu behandelnden Infektionen helfen soll. Die Studie läuft auf 133 Stationen an fünf Universitätskliniken. Wir warten gespannt auf die ersten Ergebnisse. Dabei haben wir gelernt, dass solche Software sehr schnell zu einem sogenannten Medizinprodukt wird und damit aufwendige regulatorische Anforderungen erfüllen muss. Da das Thema für die gesamte Medizininformatik-Initiatve wichtig ist, haben wir für die nächste Förderphase ein gesondertes, übergeordnetes Beratungsprojekt beantragt.

Neben Ihren Tätigkeiten im SMITH-Konsortium sind Sie vor allem Professor für klinische Epidemiologie am Universitätsklinikum Jena. Wie hat sich die Bedeutung von Digital-Health-Maßnahmen im Zuge der Covid-19 Pandemie verändert?

Hier muss ich zunächst einen kleinen Einschub machen: Epidemiologie leitet sich zwar historisch aus dem Bereich der Epidemie ab, ist aber als Fach der klinischen Epidemiologie wesentlich breiter. Sie umfasst zum Beispiel auch chronische Erkrankungen. Die Epidemiologie ist mehr ein Forschungsansatz, der in Deutschland leider nicht so weit verbreitet ist wie beispielsweise im angelsächsischen Raum, aus dem in der Pandemie auch die wesentlichen Beiträge zur klinischen Forschung kamen. Was Digital Health betrifft, so wurden durch die Pandemie sehr viele Aktivitäten parallel gestartet – aufgrund des Zeitdrucks leider nicht immer gut koordiniert. Ganz konkret sind zum Beispiel telemedizinische Lösungen durch die Pandemie schnell und zum Teil auch gezwungenermaßen in der Praxis angekommen.

Wie stellen Sie sich die künftige Entwicklung der Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung in Deutschland idealerweise vor? Welches Land könnte hier Vorbild sein?

Digitalisierung wird in Deutschland leider immer noch zu sehr als rein technische Herausforderung gesehen. Technik ist aber nur ein Teil der Lösung. Wenn ich viel Geld in Hardware investiere, die aber niemand bedienen oder gar administrieren kann, dann hilft das nicht weiter. In der Medizininformatik-Initiative wurde hier vieles besser gemacht, weil man in Infrastruktur investiert hat, die insbesondere auf interdisziplinäre Teams setzt. Wir hoffen, dass das in der nächten Phase ab 2023 weiterhin so sein wird. Wenn man ein Vorbild sucht, dann sollte man in Richtung UK schauen. Dort wurden in der Pandemie große, internationale, pragmatische, randomiserte Studien mit digitaler Unterstützung durchgeführt, die als Plattformstudien sehr schnell zu klinisch brauchbaren Antworten geführt haben.

Beenden Sie bitte folgenden Satz: Kommen Sie zum SMITH-Kongress, weil…

es endlich mal wieder ein Treffen in Präsenz ist, bei dem viele spannende Themen rund um „Digital Health“ sehr praktisch diskutiert werden.